Zurück von der BlogTalk

Irgendwie hat es diesmal mit dem Konferenzblogging von der BlogTalk 2008 nicht geklappt – obwohl das WLAN im Konferenzhotel anstandslos funktionierte ((was eine reife Leistung war, bei schätzungsweise 30-40 mobilen Geräten, die im Publikum verteilt waren und online-ten, was das Zeug hielt. Ich würde gerne mal eine Statistik des Datendurchsatzes im Hotel im Vergleich zu normalen Tagen sehen, vermutlich gab es einen ordentlichen Ausschlag nach oben…)) und es jede Menge interessante Vorträge zu hören gab. Aber mal war ich mit kleineren organisatorischen Dingen vor Ort befasst, mal mit dem Beantworten anderer E-Mails, die eintrudelten, mal einfach zu sehr in die Diskussionen vertieft, um gleichzeitig auch noch Zusammenfassungen o.ä. bloggen zu können.
Je nun, dann also ein kurzer Rückblick auf der Zugfahrt vom Münchner Flughafen in Richtung Frankfurt. Gut war’s! :) Die besondere Stärke der BlogTalk (die dieses Jahr bereits zum 5. Mal stattfand) liegt meines Erachtens darin, dass sie unterschiedliche Communities und Perspektiven auf das Social Web zusammenbringt, in Gestalt von Akademikern, von Gründern/Entrepreneurs/Consultants, und von Entwicklern. Hinzu kommen jede Menge Grenzgänger, die sich nicht in nur eine dieser Schubladen einordnen lassen, sondern irgendwie quer zu diesen Rollen bzw. Professionen liegen und dadurch gut zwischen den unterschiedlichen Fragestellungen, Interessen und Logiken vermitteln können.
Diese Mischung spiegelt sich in der Zusammensetzung des Publikums wider, aber auch in den Präsentationen und Paneldiskussionen, was zu zwei ganz interessanten Effekten führt: a) Es gibt immer mal wieder Vorträge, bei denen man sich denkt „Was soll das denn jetzt bitte?“ ((Das kann der Wissenschaftler bei einer buzzwort-gespickten Präsentation einer Startup-Gründerin denken,  oder der Consultant bei der akronymlastigen Vorstellung einer Softwarespezifikation aus dem Bereich des Semantic Web, oder die Softwareentwicklerin beim theoretischen Jargon sozialwissenschaftlicher Identitätstheorien…. oder umgekehrt…)), dafür b) zwingt es dazu, sich mit den unterschiedlichen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Um fair zu sein: Sehr viele solcher Momente gab es nicht (zumindest meiner Wahrnehmung nach), weil die Referenten im großen und ganzen ihre Beiträge auch auf die Vielfalt des Publikums abgestimmt hatten. Wie bei anderen Tagungen auch, waren es schließlich vor allem die Diskussionen beim Kaffee oder abendlichen Bier, die besonders fruchtbar waren.
Schon bei der letzten Konferenz, der BlogTalk Reloaded 2006 in Wien, lag der Fokus längst nicht mehr alleine auf Weblogs. Auch dieses Jahr ging es oft um allgemeinere Fragen, um verschiedene Facetten des Social Web also, wobei für mich vor allem eine Frage herausstach: Wie kommen wir zu einer angemesseneren Repräsentation der eigenen Identität im Netz? Bereits beim vorgelagerten Webcamp drehte sich alles um „Social Network Portability“ und die Möglichkeiten, bislang auf unterschiedliche Orte im Netz verteilte Identitätsaspekte (worunter ich jetzt nicht nur Profildaten fasse, sondern auch die Artikulation von sozialen Beziehungen) an einer Stelle zu integrieren. Diese „Stelle“ muss nicht notwendigerweise eine „Uber-Plattform“ sein, sondern es kann sich dabei auch um ein dezentral organisiertes System handeln, bei dem die Kontrolle über die eigene Online-Identität beim Nutzer selbst verbleibt. Allerdings hat sich bei mir im Laufe der Diskussionen der Eindruck verstärkt, dass es sich beim Identitätsmanagement um ein Problem handelt, das nicht sinnvoll „algorithmisierbar“ ist. Mir fehlt gerade die Muße, den Gedanken vollständig auszuformulieren, aber das Argument müsste in etwa in folgende Richtung gehen:
Da die eigene Identität nichts statisches ist, sondern fortdauernd bestärkt, verändert, „aufgeführt“ (im Sinne einer ‚Performance‘) wird, und dies im Wechselspiel zwischen individueller Reflexion und der Auseinandersetzung mit anderen in sozialen Situationen geschieht ((G.H.Mead würde beispielsweise von der Bildung des „self“ im Zusammenspiel vom „I“ und „me“ sprechen)), ist eigentlich jeder Versuch, Identitäten in Profilen, Attributen und binär codierten Beziehungen abzubilden, zum Scheitern verurteilt. Aber bring das mal einer den Informatikern (noch dazu den Semantic-Web-Vertretern) bei! :-)
Ich schätze mal, dass mich diese Thematik in den kommenden Monaten noch weiter beschäftigen wird – und möglicherweise auch noch die Nachbereitung der BlogTalk, denn wir werden jetzt mal bei den Referenten abfragen, wie groß das Interesse an einer Publikation ist. Bislang gibt es bereits einige der Präsentationen bei slideshare.net, ausserdem natürlich die gewohnte (Nach)Berichterstattung in Blogs und die Fotos bei Flickr.

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10 Kommentare

  1. Jawoll! Danke für die Steilvorlage, die ich bei der CEBIT sauber versenken werde :) Ich bin Informatiker, ich teile Deine Ansicht!!! Die Grenzen der Algorithmisierbarkeit sind erreicht! Weil wir so tief in die intimsten Ecken vorstossen wollen, dass wir an die Grenzen der Explizierbarkeit und des Willens stossen … so ist das, aber dann nach mehr Quality schreien bei den Recommendersystems :) Ja was wollt ihr denn? Kommt zur CEBIT am Sonntag, danch gibts die Slides auch zum Download …

  2. … Informatiker, die auf die Tücken des autonomen Subjekts gestoßen sind … super … :-)

  3. „Da die eigene Identität nichts statisches ist […] jeder Versuch, Identitäten in Profilen, Attributen und binär codierten Beziehungen abzubilden, zum Scheitern verurteilt.“

    Schöner, klarer Gedanke!

  4. Vielleicht darf noch ergänzt werden, dass Identität in den Sozialwissenschaften mit Abstraktion assoziiert wird. Das, was hinter den vielen konkreten Einzelgedanken, -handlungen, -beziehungen, -mitgliedschaften, -rollen, usw. usf. steht und eine Art ‚roten Faden‘ ausmacht, der charakteristisch für eine Person ist, nennen wir Identität, oder? Das soll ja Wandel keinesfalls ausschließen, aber der vollzieht sich deutlich langsamer als die Person handelt. Und eine echte Kontrollautononomie im Hinblick auf die eigene Identität für den Nutzer müsste doch eigentlich an das Eigentum der Nutzungsdaten (z.B. Profile) und der relationalen Daten (Freunde in SNS) gebunden sein, verbunden mit dem Recht, anderen den Zugang zu diesen Daten zu verwehren (oder verwehren zu lassen).






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