Mitgliedervotum der SPD – Wie entscheiden?

Zur Abwechslung mal wieder ein politischer Blog-Eintrag: Jetzt in diesem Moment, am Dienstag Abend, sitzen in Berlin die Verhandlungsteams beisammen und zurren wohl die letzten Details des Koalitionsvertrags fest. Wenn nicht irgendwas Unvorhergesehenes passiert, werde ich als SPD-Mitglied also in den nächsten Tagen Post bekommen und beim Mitgliedervotum mitentscheiden dürfen, ob meine Partei in den kommenden vier Jahren in einer großen Koalition mit CDU/CSU die Bundesregierung stellen wird oder nicht.

Um ehrlich zu sein: Ich habe im Moment überhaupt keine Ahnung, wie ich abstimmen werde.

Das liegt zum einen (und vor allem) daran, dass ich den ganzen aufgeregten Pressemeldungen und journalistischen Kommentaren, den geleakten Entwürfen von Koalitionsverträgen und den Twitter-Debatten für, wider und drumherum nur mit einem halben Auge gefolgt habe. Einigung auf dies, Formelkompromiss für das, kategorische Ablehnung von diesem, unbedingtes Beharren auf jenem – ich werde mir das endgültige Dokument anschauen, denn das ist, was zählt.

Zum anderen bin ich mir aber noch unklar, was ich als Grundlage bzw. als Maßstab meiner Entscheidung nehmen soll. Das Wohl des Landes? Das Wohl der SPD als Partei? Das Wohl der Wählerinnen und Wähler der SPD? Meine ganz persönliche Situation, bzw. die meiner Familie, meiner Freunde, meiner Nachbarschaft, meiner Twitter-Timeline oder meiner geschätzten Blog-Leserschaft? Mein rot-grünes Bauchgefühl?

Vor einigen Wochen, noch vor Beginn der Verhandlungen, hatten wir eine Sitzung meines Ortsvereins Reinbek, in dem wir auch über den Wahlausgang und die Situation der SPD gesprochen haben. Wir waren etwa 20 Personen, von denen niemand wirklich enthusiastisch pro Große Koalition gesprochen hat; die Erinnerungen an die letzte Auflage waren wohl noch zu schmerzhaft. Ein Genosse sprach sich ganz vehement und explizit für Rot-Rot-Grün aus und meinte, er werde bei einer Großen Koalition austreten. Ansonsten hielten sich meinem Eindruck nach ein „Wir müssen Große Koalition machen, was bleibt uns übrig?“ und „Wir schauen mal, was verhandelt wird und sehen dann weiter“ die Waage.

Wir werden sicher im Ortsverein eine weitere Diskussionsveranstaltung durchführen, um uns bei dieser Entscheidung gegenseitig zu helfen. Doch ich will mal in die Runde fragen: Was denkt Ihr, egal ob Ihr SPD-Mitglied, -Sympathisant/in, -Gegner/in oder -Meh seid? Und vor allem: Nach welchen Kriterien werdet oder würdet Ihr entscheiden?

 

4 Kommentare

  1. Ich würde die Haltung (und das Einknicken) der SPD beim Thema Vorratsdatenspeicherung zum Anlass nehmen, und gegen die Große Koalition zu stimmen.

  2. Author

    @Markus: Das Thema liegt mir auch am Herzen – aber (nicht rhetorisch gefragt) sind nicht andere Themen wichtiger bzw. wiegen die Dinge, die „in meinem Sinne“ entschieden wurden nicht die Dinge auf, die „nicht in meinem Sinne“ entschieden wurden?

  3. Ich bin über die VDS auch nicht glücklich, aber es gibt wirklich wichtigeres, zumal die VDS ja ein europaweiter Schwachsinn ist.
    Nachdem ich den Koa-Vertrag gelesen habe, werde ich wohl mit Bauchschmerzen zustimmen.

  4. Hallo Jan,
    ich werde – wie Du – das Papier erstmal lesen. Vermutlich aber werde ich den Koalitionsvertrag ablehnen. Sehr wahrscheinlich werde ich sogar austreten, was wiederum nichts mit der Koalition zu tun hat, sondern mit den grundsätzlichen Linien der Partei. Ich bin Herzen zwar Sozialdemokrat und schließe nicht aus, irgendwann wieder einzutreten. Aber meine persönliche Situation ist zur Zeit dramatisch und durch gesetzlichen Grundlagen verursacht bzw. durch politische Tatenlosigkeit, dass ich viiiel wieter nach Links rutschen muss. Stichworte sind: Wahnsinnsmieten, völlige Untätigkeit der SPD in der dramatischen Wohnraumsituation in München und zunehmend in vielen anderen großen deutsche Städten auch, pauschale Beträge bei sozialen Leistungen, die mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun haben (Stichwort Wohngeld), Untätigkeit bei der ungleichen Verteilung des Privatvermögens (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer), Einstiegssteuersatz bei Freiberuflern, völlige Untätigkeit der Politik beim Urheberrecht und den Leistungsschutzrechten von Künstlern.
    Ich habe den Eindruck, dass die SPD (wie natürlich viele andere Parteien auch) von Lobbyisten so stark eingenebelt worden sind, dass sie zum Handeln keinen Mut mehr haben.

    Vielleicht wähle ich einfach die Partei, die Laubbläser verbieten wird ;-)

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