Vor knapp einem Monat erhielten meine Kollegin Wiebke Loosen und ich die Nachricht, dass unser DFG-Antrag zur „(Wieder-)Entdeckung des Publikums“ bewilligt wurde. Darin enthalten: Zwei Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter/innen. Da ich mir vorstellen kann, dass es für den einen oder die andere meiner geneigten Leserschaft interessant ist, schreibe ich einfach mal ein paar Takte dazu, wie wir diese beiden Stellen letztendlich besetzt haben.
Bereits vor der endgültigen Bewilligung hatten Wiebke und ich uns Gedanken über mögliche neue Kolleg/innen gemacht und auch über einige Personen gesprochen, die uns in den letzten Monaten aufgefallen waren – z.B. weil wir sie auf Tagungen kennengelernt hatten, die sie gegen Ende ihres Studiums oder zu Beginn der „prae-doc-Phase“ besuchten, oder weil wir irgendwie anders mitbekommen hatten, dass sie eine Promotion angehen wollen. Wir waren uns aber auch einig, dass wir die Stellen offen ausschreiben werden und haben das auch sofort nach Erhalt der Bewilligung getan.
Wir erhielten insgesamt 32 Bewerbungen, die durchweg interessant waren. In einem ersten Schritt haben wir getrennt voneinander alle Bewerbungen gesichtet, zu jeder Person einige Notizen gemacht und so für uns selbst den ersten Eindruck bewertet. Wichtige Kriterien waren dabei vor allem: Einschlägigkeit des Studiums und der Abschlußarbeit, methodische Erfahrungen, Berührungspunkte zum Projektthema “Journalismus 2.0″, auch ein schwer in Worte zu fassender “aha?!”-Faktor. Danach haben wir unsere Eindrücke abgeglichen und sind mehrmals über die verbleibenden Bewerbungen gegangen, bis am Ende neun Personen übrig blieben, die wir zu Vorstellungsgesprächen einluden; zur Vorbereitung schickten wir eine Fassung des DFG-Antrags mit.
An den Gesprächen, die wir innerhalb von drei Tagen absolvierten, nahm neben Wiebke und mir noch eine weitere Kollegin teil, die bei uns im Instituts-Betriebsrat ist. Der Ablauf war in der Regel so, dass wir einleitend nochmal um eine kurze Vorstellung baten und davon ausgehend dann z.B. nach den Eindrücken vom Antrag bzw. dem geplanten Projekt fragten, wo der/die Bewerber/in Anknüpfungspunkte zu ihrer bisherigen Erfahrung (inhaltlich oder methodisch) sahen, oder wie die Ambitionen für die eigene Promotion aussehen. Da wir ja in der besonderen Situation sind, zwei Stellen besetzen zu können, haben wir auch danach gefragt, welche Teile und Arbeitspakete sie am Liebsten bearbeiten würden – nicht als Fangfrage, sondern um zu erfahren, wo sie selbst ihre Stärken und Interessen sehen. Im zweiten Teil des Gesprächs ging es dann eher um organisatorische Dinge, v.a. auch was wir als Institut anbieten (Arbeitsplatz, Promotionsbetreuung, etc.). Alle (je etwa einstündigen) Gespräche verliefen sehr freundlich und konstruktiv, und wir waren von allen Personen ehrlich beeindruckt.
Dann stand die endgültige Entscheidung an – und es mag komisch klingen, aber es war schwerer zwei Stellen als nur eine Stelle zu besetzen… Bei einer Stelle kann man letztlich eine Liste von Kriterien formulieren und dann die Person auswählen, die die meisten Kriterien erfüllt bzw. diese am besten erfüllt. Bei zwei Stellen kommt zusätzlich ins Spiel, dass wir auf die „Passung“ achten mussten – also zwei Personen auswählen, die sich so gut ergänzen, dass die verschiedenen inhaltlichen und methodischen Facetten bzw. Anforderungen des Projekts abgedeckt sind. Wir haben daher im Anschluss an die Gespräche eine Reihe von Konstellationen durchgesprochen, z.B. Kombinationen von methodischen Kenntnissen oder von eher theoretischen und eher praktischen Erfahrungen. Letztlich haben wir uns für eine Kombination entschieden, in der die beiden Mitarbeiter (eine Frau, ein Mann) die Seite der Journalismus-Forschung einerseits und die Seite der Publikumsforschung andererseits abdecken.
Was kann ich als Ratschläge oder Empfehlungen nennen? Zunächst mal grundsätzlich:
- Wer nach dem Studium eine weitere wissenschaftliche Laufbahn anstrebt oder zumindest darüber nachdenkt, eine Promotion anzuschließen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es eine ganze Reihe von Konstellationen gibt: die „klassische“ Assistentenstelle an einem Lehrstuhl oder Institut, die Stelle in einem (DFG- oder anderweitig geförderten) Forschungsprojekt, Stipendien in Graduate Schools bzw. Doktorandenkollegs, oder auch die durch anderweitige Berufstätigkeit finanzierte externe Promotion ((Gabi Reinmann hat mal aus Sicht einer Promotionsbetreuerin einige Merkmale dieser Varianten systematisiert.)). Alle Varianten haben ihre Besonderheiten – ein DFG-Projekt bietet direkte Einblicke in und Anbindung an Grundlagenforschung; zudem ist es durch die Regel „50% Arbeitszeit, aber 65% Vergütung“ auch möglicherweise attraktiver als andere Varianten. Aber es ist eben nicht der einzige Weg…
- Es schadet nie, sich gegen Studienende bzw. zu Beginn der Orientierung zur Promotion hin bereits mit einschlägigen Tagungen, Netzwerken, Fachgruppen o.ä. vertraut zu machen: Welche Obertthemen werden behandelt? Zu welchen Fragestellungen werden Calls ausgeschrieben? Im Idealfall kann man auch persönlich solche Tagungen besuchen ((In der Sichtung der Bewerbungen war es für uns immer ein interessantes Detail, wenn jemand angab, schon bestimmte Tagungen besucht zu haben. Kein K.O.-Kriterium, aber eben ein Indiz für die Orientierung in Richtung akademische Laufbahn.)) – denn auch ohne eigenen Vortrag wird man davon profitieren, erste Einblicke in diese Bereiche der wissenschaftlichen Tätigkeit zu bekommen: Wie und über welche Fragen wird diskutiert? Wer arbeitet gerade an welchen Projekten? Wo scheinen Lücken zu sein, in die man selbst mit der eigenen Forschung stoßen könnte? Nicht zuletzt kann man auf solchen Tagungen, Workshops etc. meist unkompliziert mit Leuten ins Gespräch kommen, vielleicht von den eigenen Interessen und Absichten erzählen und so beginnen, sein eigenes Netzwerk aufzubaue – wer weiß, ob Person XY, mit der man sich über die eigenen Ambitionen unterhält, nicht in drei Monaten ein einschlägiges Projekt startet oder von einer Ausschreibung hört?
- Was die Bewerbung selbst angeht: Wir waren etwas verwundert, dass relativ wenige Bewerber/innen explizit etwas zu ihren Promotionsplänen schrieben. In den Anschreiben haben alle auf das Projekt an sich Bezug genommen (was ja auch gut ist), aber nur vereinzelt fielen dort bereits Bemerkungen wie „Ich möchte die Beschäftigung im Projekt auch dazu nutzen, meine geplante Promotion voranzutreiben, die nach derzeitigem Stand im Themenbereich 123 angesiedelt sein soll“ oder „…bei der ich mich mit Fragestellung xyz befassen möchte“. Je nachdem, in welchem Stadium man sich gerade befindet – kurz vor Abschluß des Studiums, oder schon einige Monate in die Arbeit an der Promotion hinein, oder auch nach gewisser Zeit in der Praxis ausserhalb der akademischen Welt mit dem Wunsch zurückzukommen – wird das unterschiedlich ausgereift sein, und es ist natürlich auch immer sinnvoll, die Dissertationspläne und Forschungsfragen mit dem konkreten Projekt abzugleichen. Aber gerade weil die Dissertation eben auch ein ganz wichtiger Bestandteil einer DFG-finanzierten Stelle ist, ist dies zwar (für uns) kein K.O.-Kriterium gewesen, aber eben ein Hinweis, dass sich jemand schon Gedanken gemacht hat, in welche inhaltliche Richtung es weitergehen könnte.
Schöner Post und freut mich zu lesen dass ihr gute Leute gefunden habt. Bin gespannt auf die arbeiten :)
Zum vorletzten Punkt ist immer noch einschlägig, selbst wenn es seit 9 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde (ersetze einfach „Mail“ durch „Twitter, Facebook, und Mail“): Phil Agre: Networking on the Network: A Guide to Professional Skills for PhD Students“.